Sell-Out, Mell-Out (Teil 2)

By |2018-01-07T20:43:44+01:0013. August, 2015|Tags: , |

Screenshot 2015-08-13 09.25.36

 

„Liebes Skateboarding und die, die dich treiben,

ich hatte ja sehr gehofft, nie wieder über den Londoner Verlag schreiben zu müssen. Ich hatte gehofft und gefleht, dass die sterblichen Überreste des MSM ihre wohlverdiente Ruhe finden, und dass sie keiner angelsächsischen Leichenfledderei zum Opfer fallen mögen.

Erhört wurde ich leider nicht. Die haben nicht mal auf meine bescheidene Bewerbung reagiert. Obwohl, das stimmt nicht ganz: Der Factory Personalmensch hat sich dann doch noch mal erkundigt, ob ich die 120k/Jahr in Euro oder Pfund möchte. Bewerbungsprofi, der ich bin, hatte ich in meiner Bewerbung vergessen, die gewünschte Währung zu spezifizieren. Ich wollte natürlich Euro, ich bin ja nicht gierig.

Wie auch immer, sie haben wohl jemanden gefunden, der günstiger zu haben war, und offensichtlich nicht wusste, worauf er sich einlässt. Also verkündet dieser bemitleidenswerte junge Mann jetzt folgende Dinge auf den Resten der MSM-Website:

„Es geht weiter.“

Und:

„Wie Ihr sicherlich schon bemerkt habt, geht auf der MSM Seite wieder was und ich will mich jetzt endlich mal vorstellen, damit Ihr wisst, mit wem Ihr es zu tun habt: (…)“

Ehrlich gesagt, nein, das hatte ich nicht bemerkt. Und ich hätte es auch nie bemerkt, wenn mir nicht jemand, der sich offenbar verklickt hat, zusammen mit einer fassungslosen Mail den Link dazu geschickt hätte. Aber das weckt natürlich die Neugierde darauf, wen sich der Verlag da wohl geangelt hat. Leider erfährt man das in der „Vorstellung“ nicht. Der Neue beschränkt sich in der Vorstellung darauf, seinen Namen zu nennen, um dann den MSM Redakteuren der letzten…ich schätze mal 10, 12 Jahre in den Arsch zu kriechen. Woher der kommt, wie alt der ist, wie lange er schon skatet, samt und sonders Fehlanzeige, keine Info. Oliver Blankenburg, der du ziemlich genau 20 Jahre nach mir unter dem Banner des MSM arbeiten darfst, das ist leider schon mal eine glatte Sechs, und mit so einer Vorstellung erübrigt sich eigentlich auch schon die Frage nach der Qualifikation als MSM Redakteur. Da scheint keine zu sein. Dafür aber so was:

„Ich muss allerdings zugeben, dass ich skeptisch war, als ich dass erste mal die Räume der Redaktion betreten habe, da es ja einen Grund geben muss, dass meine Vorgänger allesamt gegangen sind und ich (vorerst) alleine hier sitze. Und glaubt mir Leute, ich würde auch lieber für ein Printmagazin arbeiten oder zumindest ab und an mal etwas gedrucktes in Händen halten, doch wenn es sich nicht mehr lohnt heutzutage und schon größere und bekanntere Magazine einen Schlussstrich ziehen mussten, ist dies wohl der Geist der Zeit.“

Hat dir keiner erzählt, dass es schlicht und einfach dein neuer Arbeitgeber war, der es verkackt hat, dass du nicht für ein Printmedium schreibst? Dass du tatsächlich für den Grund arbeitest, wegen dem deine Vorgänger gegangen sind? Keines dieser Magazine wollte diesen Schlussstrich. Kein Skatemag, kein Snowboardmag, kein BMX Mag. Weißt du, wer den Schlussstrich wollte? Dein Chef, lieber Oliver. Und weißt du auch warum? Wenn nicht, dann lies bitte Teil 1 dieser Kolumne, da bekommst du den „Geist der Zeit“ erklärt. Ja, es tut mir ein bisschen Leid, dass du es so beigebracht bekommst. Ich bin sicher, du bist ein lieber Kerl. Du hast Besseres verdient, aber du hast dich ein bisschen blenden lassen, scheint es. Zumindest wirkt der letzte Satz der Vorstellung so:

„Ich gebe mein Bestes ein gutes Magazin am Leben zu halten (jetzt eben in digitaler Form) und hoffe, dass ich langsam in diese großen Schuhe reinwachse.“

Ich wünsche es dir von ganzem Herzen, aber du solltest dich mit diesem Wachstumsprozess beeilen und ganz schnell damit aufhören, wie ein Textpraktikant zu wirken. Die Schuhe laufen dir nicht weg; die MSM Website lag über zwei Monate brach, in Internetzeit sind das mehrere Jahre. Will sagen: You’re taking these shoes off of a cold, dead body. Da gibt es nichts am Leben zu erhalten, sorry. You mad, bro? Ich hoffe, du hast dein zweites Standbein (Fingerboardcontestmoderator?) noch nicht an den Nagel gehängt, das könnte noch mal wichtig werden.

Und an diesem Punkt endet meine Empathie. Denn nach der Nichtvorstellung wurde ich mit einem Artikel namens „Skate or Die! Unser Leben ist kein Trend!“ konfrontiert. Selten habe ich so ein infantiles, unsortiertes Gewäsch lesen müssen – außer vielleicht Simon Reichels Arschgeburt über Vereine. Das liegt daran, dass ich mir meine Texte von 1994 einfach nicht mehr angucke, weil es mir schlicht zu peinlich ist. Aber selbst damals habe ich nicht den Fehler begangen, all zu feurig von „wir“ (im Sinne von wir Skateboarder, denn wir sind für Oliver offenbar so was wie die Borg und alle schön gleichgeschaltet) zu schreiben. Das war mir einfach zu affig. Zu versuchen, die Stimme aller Skateboarder sein zu wollen, das ist schlicht und einfach vermessen. Skateboarding ist viel, Skateboarding ist bunt. Wer zum Geier bist du, und welcher Bundestag hat dich zum Regierungssprecher ernannt? Garniert mit rhetorischen Superperlen wie „Nun scheint es aber auch im deutschsprachigen Raum soweit zu sein und das nicht erst seit gestern“ (gemeint ist die Tatsache, dass Skateboarding wohl auf dem Weg in den Mainstream ist, wie die global verbindliche Messstelle für Trends in den Redaktionsräumen der GQ eruiert hat)… Kurzzeitig dachte ich, ich wäre bei einer Pressekonferenz der Skateboardabteilung des HSV. Aber die haben ja gar keine. Warte, das Ende ist das Beste:

„Das ist unser Lifestyle und wir haben keine [sic] Bock, Eure Trends auszubaden. Keinen Bock ein weiteres Tief zu erleben, weil bei Euch was anderes angesagt ist und uns dann die Zahlen fehlen. Lasst uns doch einfach in Ruhe, so wie ihr es immer schon getan habt. Wir meinen Skate oder die [sic] nämlich ersnt [sic] und wir wollen nicht, dass Skaten zum Trend wird!“

Ja meine Herren, da HAT sich aber einer in Rage geschrieben. Wenn man genau hinliest, dann kann man die kleinen Schaumbläschen in seinen Mundwinkeln platzen hören. Ich fasse kurz zusammen: GQ – das nach „Jagd und Hund“ offenbar meistgelesene Blatt der Welt – verkündet für 2016 den großen Skateboardingtrend, und Oliver hat „keine Bock“ darauf, und auch nicht auf das Tief, welches unvermeidbar folgen wird, wenn GQ – die internationale Bibel aller Trendforscher – dann in ca. 12 Monaten den Trend für beendet erklärt.

Och Dicker. Och Dikkaaaahhh… Kein Bock auf Trend, kein Bock auf Tief… Ahn’ mal den: Sollte Skateboarding es jemals wieder aus dem Mainstream raus schaffen, in dem es sich befindet, seit du das erste Mal einen Fuß auf ein Board gesetzt hast, und so richtig mies trendy werden, dann ist das deine einzige Möglichkeit, deinen Job zu behalten. True fuckin’ story, und die Sonne gibt dir Taschentuch. Dich interessiert nichts mehr, „als durch die Straßen zu rollen, zu landen und weiter zu fahren“?

Dann mach das doch einfach.

In Liebe,

Bernd“

 

Quellen:

http://skateboardmsm.de/news/msm-es-geht-weiter.html

http://skateboardmsm.de/blog/skate-or-die-unser-leben-ist-kein-trend.html